Wie Sie Ihre Kundenbindung durch gestützte Entscheidungen verbessern und die Erfolge mit CRM Analytics messen
Wie mich ein Schuhkauf auf eine spannende Idee brachte
Vor kurzem wollte ich mir ein Paar Jogging-Schuhe kaufen. Also öffnete ich die Webseite meines Lieblings-Fashion-Shops, bei dem ich schon öfter bestellt hatte. Was folgte, war ein digitaler Entscheidungsmarathon: über 300 Modelle, zig Marken, Dämpfungstypen, Fußformen, Einsatzgebiete, Kundenbewertungen, Filter, Unterfilter – und ich mittendrin. Ich klickte, scrollte, filterte, verglich und verwarf. Nach einer Stunde hatte ich noch nichts im Warenkorb, aber über zehn Tabs offen. Mein Gehirn fühlte sich an wie nach einem ausgiebigen Lauftraining: erschöpft.
Dieses Gefühl ist kein Zufall. Es ist ein klassisches Beispiel für das Phänomen der Entscheidungsmüdigkeit, ein gut erforschtes Konzept in der Psychologie. Es beschreibt, wie Menschen durch zu viele Optionen überfordert werden und dadurch zögern, frustriert sind oder gar keine Entscheidung treffen.
Was wir aus der psychologischen Forschung sicher wissen:
- Zu viel Auswahl ist selten eine Stärke – vielmehr birgt sie ein Risiko.
- Menschen unterscheiden sich darin, wie stark sie diese Überforderung empfinden.
Ein großartiges Einkaufserlebnis wäre es, wenn mich mein Lieblings-Shop besser durch den Auswahlprozess führen würde. Wenn er aus meinem bisherigen Verhalten erkennen würde, dass ich eher pragmatisch entscheide und mir direkt zwei, drei passende Modelle vorschlagen würde, anstatt mich durch hunderte Seiten zu schicken.
Doch wie lässt sich herausfinden, wo die Entscheidungsmüdigkeit – oder auch Entscheidungsüberforderung – am wahrscheinlichsten auftritt? Und wie können die individuellen Unterschiede der Kund:innen berücksichtigt werden?

Abbildung: Verzweifelte Kundin auf der Suche nach Schuhen, Quelle: ChatGPT
Mein Ansatz als Psychologin und Marketing Data-Analytics-Spezialistin setzt genau hier an: Entscheidungsmüdigkeit ist ein bekanntes Phänomen, das effektiv gemanagt werden sollte, um das Kund:innenerlebnis zu optimieren und bessere Geschäftsergebnisse zu erzielen. Eine große Herausforderung besteht jedoch darin, es im Customer Relationship Management (CRM) konkret einzusetzen. Anstatt blind zu spekulieren, geht es darum, mithilfe von CRM-Daten präzise messbar zu machen, an welchen Stellen der Customer Journey und für welche Zielgruppen Überforderung hauptsächlich auftritt. Nur so erhalten wir belastbare, datenbasierte Erkenntnisse anstatt bloßer Vermutungen und können gezielt Maßnahmen ableiten, die die Kundenbindung nachhaltig verbessern. Denn wer es schafft, Überforderung zu reduzieren, gewinnt nicht nur das Vertrauen der Kund:innen, sondern auch mehr Umsatz und nachhaltiges Wachstum.
Welche Auswirkung hat Entscheidungsmüdigkeit auf die Kundenbindung?
Die moderne Kundschaft ist nicht nur informiert, sondern auch überfordert. Unzählige Varianten, Filter, Bewertungen und Rabattaktionen sollen helfen, führen aber oft zum Gegenteil: Der Entscheidungsprozess wird komplexer, nicht einfacher. Und Komplexität kostet Energie und führt zu negativen Emotionen.
Obwohl Verbraucher:innen aktiv sind und sich stunden- oder tagelang mit Online-Shops, Webseiten und Angeboten beschäftigen, kaufen sie nicht. Sie brechen ab, lassen Produkte im Warenkorb zurück oder verschieben die Entscheidung – auf unbestimmte Zeit.
Das kostet die Unternehmen nicht nur Umsatz, sondern auch das Vertrauen und das Interesse ihrer Kund:innen. Denn wer sich bei einer Marke regelmäßig überfordert fühlt, wechselt schneller zur Konkurrenz oder bricht sogar komplett den Kauf ab, falls es nicht dringend ist.
Wie können Sie Entscheidungsmüdigkeit zu Ihrem Vorteil nutzen?
Um diese Frage zu beantworten, möchte ich Ihnen eine Gegenfrage stellen: Was passiert, wenn Sie Ihren Kund:innen ihre Entscheidungen erleichtern? Sie haben ein positives Erlebnis und bleiben. Und sie kaufen wieder, anstatt zu Ihrer Konkurrenz zu wechseln.
Das liegt darin begründet, dass sich Menschen sich ganz natürlich zu Marken hingezogen fühlen, die ihnen das Leben einfacher machen. Wenn der Entscheidungsprozess klar strukturiert ist, entstehen positive Emotionen:
- Weniger Verwirrung durch Klarheit und Sicherheit
- Weniger Stress
- Mehr Zufriedenheit
Genau das sind die psychologischen Voraussetzungen für Vertrauen und langfristige Kundenbindung. Marken, die also Entscheidungssimplizität in den Mittelpunkt stellen, werden auf einem nachhaltigen Weg zu Gewinnern. Denn diese Effekte wirken weit über den Moment der Entscheidung hinaus – sie schaffen Bindung. Und die Bindung entsteht nicht durch aggressive Rabatte, ständig wiederholte Kommunikation oder aufdringliche Call-to-Actions. Sie entsteht durch ein echtes Verständnis für das, was Menschen brauchen: Orientierung.

Abbildung: Von der Entscheidung zum Geschäftserfolg, Quelle: Hopmann
Vier Hebel für mehr Entscheidungssimplizität im Marketing
Als Marketing-Verantwortliche:r stellen Sie sich jetzt vielleicht die Frage: “Wie stelle ich mein Marketing, das bisher von Lautstärke, Frequenz und Druck getrieben ist, so um, dass ich meine Kund:innen besser binden kann?” Gerne stelle ich Ihnen deshalb vier beispielhafte Ansätze vor, mit denen Sie Ihren Nutzer:innen konkret helfen können, ihre Entscheidungen zu vereinfachen. Auch wenn diese Vorschläge vorrangig auf Online-Shops und Unternehmen mit einer starken Internet-Präsenz ausgelegt sind, lassen sich Teile davon auch auf den traditionellen Handel übertragen.
- Reduktion der Auswahl: Zeigen Sie weniger, aber relevantere Produkte bzw. Dienstleistungen. Vermeiden Sie redundante Optionen und gruppieren Sie ähnliche Angebote.
- Kuratiertes Empfehlungs-Marketing: Anstatt alle Produkte und Dienstleistungen gleichwertig zu präsentieren, setzen Sie gezielt Akzente – z. B. “Top 3 Empfehlungen”, “Die am besten bewerteten Angebote des Monats”, “Unsere Auswahl für Sie”.
- Guided Selling Tools: Interaktive Elemente wie Quizze oder Produktfinder unterstützen Kund:innen aktiv und führen sie mit gezielten Fragen zur passenden Option – ähnlich wie eine gute Verkaufsperson im Geschäft.
- Klare Vergleiche & Labels: Übersichtlich gestaltete Vergleichstabellen oder Labels wie „Meistgekauft“ bieten Orientierung und stärken das Vertrauen.
Diese Maßnahmen sind mehr als UX-Optimierung – sie sind psychologisch fundierte Wege, um Kund:innenbeziehungen nachhaltig zu stärken. Denn wer sich verstanden fühlt, bleibt loyal.
CRM Analytics: Entscheidungssimplizität messbar machen
Als Marketing Analytics Beratung wissen wir: Marketing-Maßnahmen lassen sich nur dann zielbasiert steuern, wenn ihre Erfolge messbar sind – und damit eine datengetriebene Optimierung stattfinden kann. Die gute Nachricht: Die Auswirkungen der Fokussierung eines Unternehmens auf Entscheidungssimplizität lassen sich messen. Unsere Idee liegt darin, die Erfolgsmessung auf zwei Schritte aufzuteilen:
1. Analyse der Customer Journey zur Diagnose von Entscheidungsmüdigkeit
Moderne CRM-Systeme bieten weit mehr als Kontaktverwaltung. Sie ermöglichen es, das tatsächliche Verhalten Ihrer Kund:innen entlang der gesamten Customer Journey zu analysieren – vom ersten Klick bis zum finalen Kauf. Besonders spannend: Sie zeigen, wo und warum sich Entscheidungen verzögern oder gar nicht erst getroffen werden.
Deshalb werden im ersten Schritt aussagekräftige Verhaltenssignale identifiziert, die ein Analytical CRM und Digital Analytics Technologien erfassen können.
Wir starten mit einer sauberen Analyse der Customer Journey:
- Wo verbringen Nutzer:innen auffällig viel Zeit?
- Wo steigen sie aus?
- Wo benötigen sie aktiv Unterstützung beim Entscheiden?
Ein typischer Pfad könnte wie folgt aussehen:

Abbildung: Tracking der Entscheidungsmüdigkeit entlang der Customer Journey, Quelle: Hopmann
Wenn Nutzer:innen beispielsweise besonders lange auf Kategorie- oder Produktseiten verweilen, zwischen mehreren Angeboten immer wieder hin- und herwechseln oder den Prozess im Checkout abbrechen, kann das ein klares Zeichen für Entscheidungsmüdigkeit sein. Sie sind überfordert und finden keinen intuitiven Weg, um ihre Kaufmotivation zum Erfolg zu führen.
Die folgende Tabelle zeigt beispielhafte Metriken, die für Marketeers weitere Hinweise auf Entscheidungsmüdigkeit liefern:
Abbildung: Beispielhafte Metriken zur Messung von Entscheidungsmüdigkeit, Quelle: Hopmann
2. Testing verschiedener Maßnahmen zur Erzielung von Entscheidungssimplizität
CRM-Daten helfen nicht nur beim Diagnostizieren, sondern auch beim Testen von Verbesserungen. Wer gezielt Komplexität abbaut – etwa durch weniger Auswahl, personalisierte Vorschläge oder Guided Selling Tools – kann anschließend exakt messen, ob die Maßnahmen greifen:
- Reduziert sich die Verweildauer auf kritischen Seiten?
- Sinken die Abbruchraten?
- Verbessern sich die Conversion Rates?
Durch einen agilen Testing- und Optimierungs-Prozess lassen sich Customer Journey gezielt hinsichtlich der Entscheidungssimplizität optimieren. Sie gewinnen wertvolle Erkenntnisse darüber, wann und wo Vereinfachungen die größte Wirkung entfalten.
Ansatz zur CRM-Segmentierung von Entscheidungstypen
Auch, wenn die Entscheidungsmüdigkeit ein weit verbreitetes Phänomen ist, entscheidet nicht jede:r Kund:in gleich. Während manche möglichst schnell zum Punkt kommen wollen, suchen andere akribisch nach der optimalen Wahl. Diese Unterschiede sind nicht nur interessant – sie sind entscheidend für die Gestaltung erfolgreicher Customer Journeys.
Laut wissenschaftlichen Untersuchungen lassen sich Kund:innen in drei verschiedene Gruppen einteilen: Maximizer, Satisficer und Mixed Types.

Abbildung: Segmentierung von Kund:innengruppen anhand von Entscheidungsfreudigkeit, Quelle: Hopmann (basierend auf dem Buch “Paradox of Choice: Why More is Less” von Barry Schwartz)
Diese Einteilung nach Entscheidungsfreudigkeit kann z. B. für E-Commerce-Plattformen und Apps eine sehr spannende Dimension liefern, die über die klassische CRM-Segmentierung hinausgeht. Daher schlagen wir eine erweiterte 360° Segmentierung vor:
- Demographische Daten (Alter, Ort etc.)
- Verhaltensdaten (Verkaufshistorie, Website-Aktivität etc.)
- Engagement Level (E-Mail-Öffnungsraten, Verwendung der App etc.)
- Weitere firmenrelevante Daten (Social Media Aktivitäten etc.)
- NEU: Entscheidungsverhalten im Kaufprozess
Moderne CRM-Systeme ermöglichen es bereits, solche Verhaltensmuster zu analysieren und daraus mittels intelligenter Segmentierung Rückschlüsse auf die Entscheidungstypen zu ziehen. Dies könnte in der Praxis wie folgt aussehen:
Verhalten | Möglicher Typ | Was das bedeutet |
Lange Verweildauer auf Produktseiten | Maximizer | Vergleicht viel, will „die beste“ Entscheidung |
Häufiges Wechseln zwischen ähnlichen Seiten | Maximizer | Unsicher, sucht aktiv nach mehr Informationen |
Nutzung von Vergleichstools | Maximizer | Möchte strukturierte Entscheidungshilfe |
Schnelle Entscheidung, kurzer Besuch | Satisficer | „Gut genug“ reicht, will nicht viel Zeit investieren |
Wenige Produktansichten vor dem Kauf | Satisficer | Entscheidet schnell und intuitiv |
Abbildung: Beispiele zur Segmentierung von Kund:innengruppen anhand ihres Verhaltens in der Customer Journey, Quelle: Hopmann
So würde beispielsweise eine Person, die mehr als 10 Minuten auf verschiedenen ähnlichen Produktseiten verbringt als Maximizer eingeteilt werden. Ein:e Kund:in, der:die innerhalb von 2-3 Minuten ein Produkt in den Einkaufswagen legt, weil es gerade über eine Promotion-Aktion mit einem Discount beworben wird, und direkt danach auscheckt, könnte als Satisficer klassifiziert werden.
→ Hinweis: Natürlich müssen solche Verhaltensweisen und Metriken immer im jeweiligen Unternehmens- und Produkt- bzw. Dienstleistungskontext betrachtet werden. Daher sollte vor der detaillierten Segmentierung eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden, die Besonderheiten in Hinblick auf Unternehmen, Kund:innenverhaltenund Zielsetzung berücksichtigt. Hier sollten auch bestimmte Marketing-Aktionen, Preisgestaltung etc. betrachtet werden. Denn z. B. könnte ein:e Kund:in, der:die sehr schnelle Entscheidungen für niedrigpreisige Produkte trifft, sehr lange Entscheidungswege für hochpreisige Produkte aufweisen und daher in beide Segmente fallen.
Konkrete Empfehlungen für das Marketing:
- Maximizer schätzen klare Vergleichstabellen, Label wie „Top-Empfehlung“ und Hinweise darauf, was andere gekauft haben.
- Satisficer bevorzugen schnelle Empfehlungen, „Best Picks“ oder die direkte Kaufoption – ohne Umwege.
- Mixed Types reagieren gut auf adaptive Journeys, z. B. durch einen geleiteten Dialog zum Einstieg: „Wie möchten Sie heute entscheiden?“
Fazit & Ausblick
Die Idee, Entscheidungssimplizität systematisch zu messen und gezielt zur Kundenbindung einzusetzen, ist neu – aber überfällig. In einer Zeit, in der durch Informationsflut zunehmende Komplexität Kaufentscheidungen bremst, brauchen Unternehmen einen datenbasierten Weg, um mentale Entlastung zu einer echten Wachstumsstrategie zu machen. Das hier vorgestellte Modell verbindet psychologische Erkenntnisse und Marketing-Taktiken mit einer smarten CRM-Datenanalyse – und bietet damit einen vielversprechenden Ansatz für die Zukunft des kundenzentrierten Marketings.
Noch stehen wir am Anfang: Die vorgestellten KPIs und Segmentierungsansätze sind Teil eines konzeptionellen Frameworks, das wir in der Praxis gemeinsam mit Unternehmen weiterentwickeln möchten. Unser Ziel: ein praktikables Messmodell, das zeigt, wo Vereinfachung wirkt – und wie man daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableitet.
Wenn Sie sich mit der Frage beschäftigen, wie Ihre Kund:innen Entscheidungen treffen und wie Sie diesen Prozess gezielt unterstützen und messbar machen können, melden Sie sich gerne. Wir sind auf der Suche nach Partnern, die Kundenzentrierung ernst nehmen und innovative Ansätze erproben möchten. Hinterlassen Sie auch gerne Kommentare zu diesem Ansatz und geben Sie Ihr Feedback.