Barrierefreie Webseiten: Ein Muss für modernes Inbound Marketing

Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) ab Juni 2025 stehen Marketingexperten vor einer neuen Herausforderung: Webseiten müssen nicht nur ästhetisch und funktional, sondern vor allem barrierefrei gestaltet sein. Dies erfordert ein Umdenken in puncto Buyer Personas, Customer Journey und im Touchpoint Mapping. Obwohl allein in Deutschland knapp 8 Millionen Menschen mit einer anerkannten schweren Behinderung (motorisch oder kognitiv) leben, sind nach jetzigem Stand (Dezember 2024) weniger als 20 Prozent aller Webseiten gut auf die digitale Barrierefreiheit vorbereitet. Dies wurde in einer Studie der Onlineagentur Buzzmatics ausgewertet. Ein Grund ist sicher, dass die Zielgruppe nicht im Fokus von Marketingunternehmen war. In diesem Artikel möchte ich beleuchten, welche Chancen digitale Barrierefreiheit für E-Commerce Unternehmen und Institutionen mit sich bringt. Teilweise sind es nur kleine, einmalig zu drehende Schrauben, die digitale Kommunikationsinstrumente barrierefrei gestalten.

Studie Barrierefreiheit im E-Commerce, Quelle: Buzzmatics GmbH & Co KG

Studie Barrierefreiheit im E-Commerce, Quelle: Buzzmatics GmbH & Co KG

Digitale Barrierefreiheit und die Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sollten nicht allein als Pflicht, sondern vielmehr als Chance betrachtet werden. Denn Accessibility bietet nicht nur das Potenzial, Reichweite zu gewinnen und neue Märkte zu erschließen. In Bezug auf die Zugänglichkeit bestehen zum Beispiel wichtige Synergien zwischen Suchmaschinentechnologien und assistiven Technologien. Denn beide Systeme erfassen Informationen über teilweise gleiche technische Voraussetzungen. Wer also mehr Sichtbarkeit in Organic Search möchte, sollte das Thema Accessibility nicht vernachlässigen.

Assistive Technologien – die unbeleuchteten Touchpoints im Inbound Marketing

Ein guter Inbound Marketing Experte ist empathisch und kann damit die Perspektive für unterschiedlichste Zielgruppen einnehmen. Aber nur wenig von uns können sich wirklich in ein Leben mit psychischen oder sensorischen Einschränkungen hineinversetzen. Ich selber – seit kurzem Brillenträgerin – lerne ausreichende Kontraste in Onlinepräsenzen erst jetzt richtig zu schätzen.

Um die Customer Journey für Menschen mit Behinderung richtig zu planen, sind mehrere strategische Ansätze erforderlich. Denn teilweise werden von dieser sehr diversen Zielgruppe unterschiedlichste Technologien genutzt. Webseiten, Newsletter und andere Onlinemarketing Kommunikationsmittel müssen auf diesen Bedarf ausgerichtet werden.

Zu diesen assistiven Technologien gehören unter anderem:

  • Screen Reader – wandeln Bildschirmtext in Sprache oder Braille um
  • Bildschirmlupen – Vergrößern Inhalte für sehbehinderte Nutzer
  • Braille Tastatur – unterstützen blinde Nutzer beim Schreiben und Navigieren
  • Smarte Brillen – unterstützen sehbehinderte Nutzer beim Lesen und Navigieren
  • Spracherkennungssoftware – ermöglicht freihändige Navigation durch Umwandlung von Sprachbefehlen in Aktionen
  • Tastatursteuerung – ermöglicht das Navigieren ohne Mouse allein mit der Tastatur

Accessibility fokussierte Analyse & Touchpoint Analyse im Inbound Marketing

Das Nutzungstracking von assistiven Technologien stellt im Moment durch technische Limitierung und Bedenken zum Datenschutzes eine besondere Herausforderung dar. Während Standard-Analyse-Tools wie Google Analytics die Nutzung von Hilfstechnologien (z. B. Bildschirmlesegeräte) nicht direkt erkennen können, können Marketingexperten durch Analyse der Nutzungsmuster auf User mit Behinderung schließen.

Anwendbarkeit der Tastaturnavigation

Die Implementierung der Tastaturnavigation erfordert eine klare und logische Struktur der Webseite. Dies erleichtert nicht nur die Nutzung für Menschen mit Behinderungen, sondern auch das Crawling durch Webbots. Suchmaschinen bewerten gut strukturierte Inhalte positiv, da sie einfacher zu indexieren und zu verstehen sind.

Eine logisch gestaltete Fokus-Reihenfolge (z. B. durch die Tabulator-Taste) hilft nicht nur Nutzern bei der Navigation, sondern ermöglicht es Webbots, Inhalte systematisch zu erfassen. Auch das unterstützt ein strukturiertes Crawling und verbessert die Indexierung.

ARIA-gekennzeichnete Elemente, Alt-Text für Bilder und interne Verlinkungen

Für Suchmaschinen und assistive Technologien gehört ein korrektes HTML5 zu den Grundvoraussetzungen, um die Struktur und Bedeutung des Contents klar zu verstehen. Webseiten, die für Tastaturnavigation optimiert sind, verwenden oft semantisch korrektes HTML und ARIA-Attribute. Diese verbessern die Lesbarkeit und Verständlichkeit für Screenreader und Webbots gleichermaßen, was die SEO-Performance wesentlich steigert.

Alternative Texte (Alt-Texte) ermöglichen es Screenreadern, den Inhalt von Bildern hörbar zu machen oder in Braille-Schrift auszugeben. Dies ist entscheidend, um blinden oder sehbehinderten Nutzern den Zugang zu visuellen Informationen zu ermöglichen. Suchmaschinen können den Inhalt von Bildern nicht direkt interpretieren. Alt-Texte liefern die notwendigen Informationen, damit Suchmaschinen den Kontext und die Relevanz der Bilder verstehen können. Sie verbessern die Indexierung von Bildern in der Google-Bildersuche und tragen zur allgemeinen Seitenrelevanz bei, was sich positiv auf das Ranking auswirkt.

Große Wirkung für SEO und Barrierefreiheit stellen interne Verlinkungen dar. Interne Links sollten zu einer übersichtlichen Webseitenstruktur beitragen, damit Suchmaschinen einen inhaltlichen Zusammenhang erkennen können. Der Linktext (auch Anchor Text) sollte aussagekräftig sein und dem User (oder Screenreader) aussagekräftige Linktexte anbieten, aus denen Ziel und Zweck des Links hervorgeht. Links müssen Tastaturbedienbarkeit ausweisen. Die visuelle Erkennbarkeit ist ein absolutes Muss für SEO und Accessibility.

Accessible Design

Dies umfasst nicht nur ausreichende Kontraste von digitalen Medien, sondern auch die Bereitstellung von Funktionen wie Alt-Text für Bilder, Untertitel für Videos und eine klare, einfache Navigation. Hierarchische Überschriften-Strukturen sind ein essenzielles Thema für Barrierefreiheit, genauso wie ein Responsive Design. Auch für Suchmaschinen-Bots spielen diese Metriken eine entscheidende Rolle, um Inhalte besser zu crawlen und zu indexieren. Wer also Barrierefreiheit mitdenkt, verschafft sich zeitgleich eine bessere Position in Organic Search.

Die Customer Journey neu denken

Ein erweitertes Customer Journey Mapping zeigt deutlich auf, ob alle Touchpoints für alle Zielgruppen zugänglich sind oder wo Verbesserungsbedarf besteht. Oftmals muss man nur wenige Low Hanging Fruits pflücken auf dem Weg zur digitalen Barrierefreiheit.

Assistive Technologien erweitern die Touchpoint Map erheblich, indem sie behinderten Menschen den Zugang zu digitalen Kanälen erleichtern. Die Konzeption der Customer Journey benötigt also auch den Fokus auf Buyer Personas mit kognitiven, motorischen oder sensorischen Behinderungen. Das gewährleistet die reibungslose Interaktion an allen Touchpoint und holt auch diese Zielgruppe ab. Eine Überprüfung der bisherigen Customer Journey und Customer Experience ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Voice-Technologien wurden ursprünglich als Assistenztechnologie für Blinde entwickelt. Mittlerweile profitiert eine viel umfangreichere Nutzerbasis von barrierefreien Technologien wie Spracherkennung und Text-to-Speech (TTS) dank Voice Search. Auch stellt digitale Barrierefreiheit ein wesentlichen Zugewinn zur Awareness und steigenden Trafficzahlen dar.

 Absatzplus durch digitale Barrierefreiheit

Digitale Barrierefreiheit ist nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich relevant, insbesondere für E-Commerce-Unternehmen und Website-Betreiber. Eine Studie von Capterra zeigt, dass 38 % der Unternehmen durch inklusives Webdesign ihren Umsatz steigern konnten. Barrierefreie Webseiten ermöglichen Menschen mit Behinderungen oder Einschränkungen einen fairen Zugang zu Informationen und Produkten, was durch Funktionen wie klare Navigation, alternative Bildbeschreibungen oder Kontraste erreicht wird.

Für E-Commerce-Unternehmen und Content-Marketing-Experten ist barrierefreies Design nicht nur Pflichterfüllung, gesetzliche Vorgaben zu erfüllen, sondern biete die Chance neue Zielgruppen zu erreichen, die Kundenbindung zu stärken und die Performance ihrer Websites nachhaltig zu verbessern.

H5: Hier einige Keyfacts:
  • Umsatzsteigerung: 38 % der Unternehmen berichteten von höheren Umsätzen oder besseren Konversionsraten.
  • Kundenbindung: 53 % verzeichneten eine stärkere Kundenbindung.
  • SEO und Reichweite: 39 % verbesserten ihre Zielgruppen-Reichweite und SEO-Performance.
  • Bessere Nutzererfahrung: Websites ranken besser auf Google und erhalten weniger Beschwerden.
  • Optimierung der Conversion Rates: Eine bessere UX führt oft zu höheren Conversion Rates und stärkt die Kundenbindung.

Die neue Touchpoint Map

Das BFSG erfordert einen neuen Denkansatz für eine inklusive Customer Journey. Assistive Technologien müssen aktiv in die gesamte Marketingstrategie eingebunden werden. Dies erfüllt nicht nur die gesetzliche Verpflichtung, sondern wertet Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb auf. Eine barrierefreie Customer Journey ist ein Schlüssel zu einer besseren User Experience für alle Kunden – unabhängig von ihren Fähigkeiten – und damit ein zentraler Faktor für langfristigen Erfolg im Marketing.

  • Digitale Kanäle optimieren: Webseiten, Apps und digitale Inhalte müssen gemäß den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) gestaltet werden. Dazu gehören kontrastreiche Farben, lesbare Schriftgrößen und Untertitel für Videos.
  • Vielfältige Kommunikationskanäle: Unternehmen sollten verschiedene barrierefreie Kommunikationswege anbieten, wie z. B. Live-Chats oder Textoptionen für gehörlose Nutzer. Diese Optionen verbessern nicht nur die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen, sondern auch die allgemeine Kundenzufriedenheit. Nicht zuletzt profitieren auch Nichtmuttersprachler oder – ganz simpel – Menschen, die beim Betrachten von Videos den Ton ausschalten von barrierefreien Informationen, wie zum Beispiel Untertiteln.

Fazit:

Digitale Barrierefreiheit ist mehr als eine gesetzliche Verpflichtung, sondern die Chance Reichweite zu erhöhen, neue Zielgruppen zu erschließen und die Kundenbindung nachhaltig zu stärken. Die Integration barrierefreier Elemente verbessert dabei die UX und optimiert gleichzeitig die Performance in unterschiedlichen Online Marketing Channels.

Durch den Einsatz assistiver Technologien und die Anpassung der Customer Journey an diverse Bedürfnisse wird ein inklusives Nutzungserlebnis geschaffen, das allen Kunden zugutekommt. Digitale Barrierefreiheit ist somit nicht nur ein Schlüssel zu mehr Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung, sondern auch ein zentraler Erfolgsfaktor im modernen Marketing.

Citations:

https://www.gsma.com/solutions-and-impact/connectivity-for-good/mobile-for-development/gsma_resources/assistive-tech-improving-the-mobile-customer-journey-for-persons-with-disabilities/

Optimizing the online experience for disabilities improves it for all customers

https://www.disability-marketing.com/2018/03/26/journey-mapping-customers-disabilities/

https://daily.dev/blog/10-accessibility-success-stories-and-case-studies

https://business.scope.org.uk/article/the-business-case-for-inclusive-design-big-hack-study-research-digital-accessibility

https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreie-website/vorteile-digitaler-barrierefreiheit

https://www.absatzwirtschaft.de/digitale-barrierefreiheit-steigert-umsatz-262759/

Profilbild Friederike Baer, SEO Expertin aus Berlin

Friederike Baer ist seit 2016 Teil des Teams der SEO-Agentur rankingfusions in Berlin. Als Expertin für technisches SEO, Content Marketing und digitale Barrierefreiheit berät sie Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Neben ihrer Tätigkeit in der Agentur unterrichtet sie seit 2020 als Dozentin für Suchmaschinenoptimierung an der ecomex Business Academy und der afs-Akademie. Ihr Fokus liegt auf nachhaltigen SEO-Strategien, die auf fundiertem Fachwissen und praxisnaher Umsetzung basieren.

Seit 2023 arbeitet Friederike Baer mit der Bundesfachstelle Barrierefreiheit zum Thema E-Commerce und Barrierefreiheit eng zusammen.

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/friederike-baer-3874a078/

 

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